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Grenzboten_1844_Tagebuch_82.txt
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Grenzboten_1844_Tagebuch_82.txt
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-2» I t T a g e b u es. i. A«S Wien. Russischer Communismus in Böhmen und Polen. — Der Cabinetsrath in Trieft und die Zukunft Italiens. — Uebergriffe der Slaven und Magyaren. — Oeffentlichkeit der Stockprügel. — Prinzessin Wasa und el» Korrespondent der „Eleganten". Sie haben meinem Berichte über die proletarischen Vorgange in Böhmens) eine Anmerkung beigefügt, deren Richtigkeit ich in so weit nicht anerkennen kann, als sie den von mir ausgedrückten Gedanken keineswegs berichtigt, als vielmehr blos weiter ausführt. Der Communismus, den die slavische Propaganda befördert und unter der Maske predigt, ist allerdings nicht jener systematische, ideeklare und in das Blut der innersten Geistesüberzeugung eingedrungene Communismus der französischen Blousenmänner in Paris und Genf, denn dieser will den bitteren Ernst und faßt die Sache gründlich bei der Wurzel, während die privilegirten Communisten, die diplomatischen Weitlinge blos die Philosophie des Magens begünstigen, um, wenn solches gelungen, uns freundliche Warnungen zuflüstern zu können und zwischen deutschen Regierungen und deutschen Völkern ein gespanntes Verhältniß zu unterhalten, das dem russischen Interesse nicht anders als entsprechend sein kann. Wie tragikomisch war nicht der schauerliche Hintergrund von kommunistischen Tendenzen, welchen die russische Malerkunst den benachbarten Höfen zur Zeit der serbischen Thronumwälzung vorzugaukeln wußte, und der gleichwohl die Folge hatte, der Bewegungspartei die diplomatischen Sympathien zu entfremden. Dieser gute Erfolg mochte gehörigen Orts allzu verführerisch erscheinen, um dasselbe Kraftmittel nicht noch in anderen passenden Gelegenheiten anzuwenden, wozu Polen und die germanischen Mischländer den fruchtbarsten Boden darboten, nicht etwa, weil ver *) Siehe Nro. 9. N. Semester. !W Geist des Volkes dort sich zu socialen Theorien hinneige, als vielmehr, weil daselbst andere politische Mißverhältnisse bestehen, und diese zu Gunsten eines nützlichen Communistenschreckens ausgebeutet werden können. Die neuesten Vorfalle im Großherzogthum Posen und die Erneuerung des Cartels zwischen Preußen und Rußland scheinen zu beweisen, daß der Calcul nicht so schlecht sein muß, wenn wir auch hoffen wollen, die deutschen Staatsmänner werden die russischen Phantasmagorien für keine wirklichen Gefahren halten und sie nicht mit Maßregeln bekämpfen, deren Wirkung für die russische Armee einen Vortrao bilden würde. Ohne Zweifel, der Communismus ist wie erfunden für das russische Staatsinteresse, und wäre die Sache nicht zufälliger Weise in Owen's oder Fourrier's Kopfe entsprungen, so wäre es die Aufgabe der russischen Politik gewesen, den Communismus zu erfinden. Glücklicher Weise hat Baboeuf den l>. Gold manu, der als Verfasser der Pentarchie genannt wird, dieser saueren Arbeit enthoben, und es bleibt nur noch die glückliche Anwendung übrig. In den letzten Tagen verbreitete sich hier das Gerücht von dem Rücktritt des Grafen Kolowrat, der in Folge eines eclatanten Meinungsstreites gegen die von dem Stantskanzler und dem Baron Kü- beck vertretenen Ansichten in einem zu Triest abgehaltenen Cabinets- rath stattgefunden haben sollte, sich aber gewiß nicht bestätigen wird. Die Rei,e des Kaisers nach Jstrien soll mit einer gemeinschaftlichen Berathung über die Zustände Italiens in Verbindung stehen, wozu steh auch die meisten italienischen Fürsten, theils persönlich, theils durch diplomatische Agenten eingefunden hatten. Wie verlautet, spielt die Idee eines italienischen Zollvereins dabei eine Hauptrolle, und in der That gewinnt die Sache durch den Vollzug des Handelsvertrags zwischen Sardinien und Frankreich in diesem Augenblick einige Wahrscheinlichkeit. Oesterreich gewänne durch die Realisirung des Pro- jectes einen ungemeinen Vortheil, denn politisch sind ihm die italienischen Staaten ohnehin so eng verbunden, als sie das politische Band eines Staatenbundes nur immerhin ihm verbinden könnte; es fehlt jetzt blos noch das merccmtile und finanzielle Bruderhand, um die Unabhängigkeit vollständig zu machen. Die Völker der Halbinsel würden, das ist kein Zweifel, dabei nur gewinnen, allein die Regierungen sind genöthigt und wollen von dieser Einheit Nichts hören. Neapel und der Kirchenstaat zumal sind in diesem Punkte schwer zu bekehren, und es wäre ein seltener Aufwand von Unterhandlungsgabe erforderlich, um die Halsstarrigkeit der Staatsmänner eines Landes zu brechen, in dem Macchiavelli und Filangieri das Licht der Welt erblickt haben. Der Bürgermeister von Triest, 0i. Tomasini, hat den Kaiser mit einer deutschen Anrede begrüßt. Ja, die oberste bürgerliche Autorität der getreuen Stadt Triest hat uns die Ehre angethan, deutsch Grenzboten 1844. II. 17 130 zu sprechen! wie wird Schuselka in der Augsburger Allgemeinen frohlockend in die Posaune stoßen über dieses germanische Ereigniß, welches ihm den Sieg des Deutschthums an den Küsten der Adria beweisen wird; es mag ihn für den Kummer entschädigen, den ihm die romanischen Anmaßungen in Tyrol verursachten. Dieser junge, gesinnungstrcue Schriftsteller scheint es sich nun einmal zum Zweck gemacht zu haben, alle ferneren Uebergriffe, mögen sie von slavischer, magyarischer oder welscher Seite kommen, aufzudecken und durch Öffentlichkeit zu paralysiren. Dem deutschen Philisterium mögen allerdings manche seiner Angriffe kleinlich vorkommen und dem Kampf gegen Windmühlen gleichen; so ganz vergeblich sind seine Streiche doch nicht, denn wenn auch die feindseligen Aeußerungen dieser Nationalitäten bisher immer nur in den Grenzen partiellen Mißwollcns blieben, so darf man doch niemals vergessen, daß diese Beschränkung keine freiwillige Mäßigung ist und die versuchten Reibungen unter den für uns Deutsche günstigsten Verhältnissen stattfinden. Es bleibt allerdings sehr beachtenswert!), wenn unter einer deutschen Negierung in deutschen Landen engverbundene Voltsthümlichkeiten sich derlei Eingriffe erlauben dürfen, wie dies die Anordnung, daß alle Priester des in Niederösterreich belegenen Klosters Heiligenkreuz Magyarisch lernen müssen, oder in einer wesentlich deutschen Stadt unter den Augen des deutschen Censors eine Provinzialgeschichte gedruckt wird, deren Inhalt darauf berechnet ist, die slavischen Bewohner, welche die Minderzahl bilden und offenbare Eindringlinge sind, gegen das deutsche Lebenselement aufzureizen. Das Letztere bezieht sich auf eine in flovenischer Sprache in Gratz erscheinende Geschichte der Steyermark, die ein Herr Krempl herausgibt und in der die armen, unwissenden Bauern des Marburger und Collier Kreises mit einem lächerlichen Pathos haran- guirt und an ihre große Vergangenheit und herrliche Zukunft erinnert werden! Man muß das selber lesen, um es zu glauben. Wir gehören durchaus nicht zu denjenigen, welche für sich Rechte in Anspruch nehmen, die sie den Andern verweigern wollen; nein, nur möchten wir der slavischen Nationalität zumal nicht gerne Befugnisse eingeräumt sehen, welche dem deutschen Volksstamm, den man ironischer Weise den herrschenden nennt, vorenthalten werden. Mache doch Jemand den Versuch, unter österreichischer Censur für das deutsche Interesse zu schreiben, wie Graf Thun, Schaffaryk, Kollar, Palacky u. s. w. für das slavische geschrieben haben, ob seinem Buch das Imprimatur zu Theil werden wird? Da heißt es gleich, man wolle Zwietracht säen, die Bande des Staates lockern, den Geist nationalen Unfriedens heraufbeschwören u. dergl. mehr. Wir lassen den Slaven herzlich gern das Recht der Klage, allein wir nehmen es auch für die Deutschen in Anspruch, oder glaubt man etwa, wir hätten Nichts zu klagen? Die Deutschen in Oesterreich haben nicht allein keine ,euer >z> Errungenschaften, deren sich ihre Brüder im Norden und Westen erfreuen, sondern auch das eitle Gefühl, unter den Beherrschten die Ersten zu sein, mag man ihnen nicht mehr gönnen. Vor einigen Tagen ereignete sich auf dem hiesigen Exerzierplatz vor der Lerchenfclder Linie ein Auftritt, der leicht zu bedauerlichen Folgen hätte führen können. Eine Eskadron des hierorts garnisoni- renden polnischen Uhlancnregiments hielt nämlich ihre Wassenübunqen auf freiem Felde, als ein junger, adeliger Offizier einen Soldaten für ein leichtes Dienstvergehen öffentlich prügeln lassen wollte. Der Soldat, dem die Vorschrift bekannt war, wornach solche Bestrafungen niemals vor den Augen des Publicums vollzogen werden dürfen, machte seinem Vorgesetzten in dieser Beziehung dringende Vorstellungen, auf die indeß der Offizier keine Rücksicht nahm. Das anwesende Publicum, das bei solchen kriegerischen Spielen stets in Masse versammelt und erklärlicher Weise nicht sehr gewählt ist, ergriff alsbald die Partei des Soldaten, den es durchaus nicht züchtigen lassen wollte, und die Aufregung erreichte bald einen Grad, der es dem Commandirenden als klug erscheinen ließ, die Eskadron in die Kasernen abzuführen und daselbst Rapport zu erstatten. Der Abmarsch geschah unter dem Zischen, Pfeifen und Lärmen des Pöbels, der den Offizier bis an das Kasernenthor verfolgte. Patrouillen mußten sodann die Umgegend saubern und Jnfanteriepostcn besetzten die Straßenknoten. Die in dieser Sache eingeleitete kriegsrechtliche Untersuchung endigte mit der Bestrafung des widersetzlichen Soldaten und der Versetzung des Offiziers zu einem anderen Regimente. Die Ehescheidung des Prinzen Wasa von seiner Gemahlin, einer badischen Prinzessin, ist nun wirklich vollzogen worden und beide Gatten haben das Recht, sich wieder zu vermählen; von der Prinzessin glaubt man, daß sie dieses Recht benutzen wolle. Sie lebt in stiller Aurückgezogenheit auf einem Gut in Mähren und kommt nur selten nach Wien; ihre einzigen Reisen sind die zu ihrer Familie. Ein Eorrespondent der „Eleganten" hat, gelinde gesprochen, eine arge Unschicklichkeit begangen, die Frage der moralischen Schuld zu entscheiden; die Sache läßt sich nicht mit drei Worten abthun, und wer den Schleier von diesen Verhältnissen ziehen wollte, müßte Intriguen erörtern und in Regionen greifen, deren Enthüllung für das laufende Decennium in Deutschland wahrscheinlich ganz unmöglich sein dürfte. « 17 -i- 13^ II. Aus Bresla u. Theater. — „Moliere" in Breslau. — Holtei als Thcaterdirector. — Die öffentlich-geheime Meinung? Denunciationen. — „Ein Glaubensbekenntnis!" von Freüigrath- — Der Berein gegen das Hutabnehmen und die Censur, Ich versprach Ihnen in meinem letzten Schreiben eine kurze Charakteristik unserer Theaterzustände. Jetzt bedauere ich beinahe diese Voreiligkeit, denn indem ich mich frage, wodurch sich unsere Bühne wohl von den, übrigen in unserem lieben deutschen Vaterlands unterscheide, finde ich, daß sie im Wesentlichen nicht aus der Art geschlagen ist. Wollte ich also ihre Tugenden und Fehler des Weitern erörtern, so müßte ich die Naturgeschichte der Species abschreiben und Alles das wiederholen, was im Allgemeinen Wahres und Gründliches über das deutsche Theaterwesen gesagt worden ist. Ueberdies bin ich auch der Ansicht, daß das Interesse für diesen Zweig der Kunst: für die Bretter, welche die Welt bedeuten, in gar keinem Verhältniß steht mit demjenigen, welches die wirkliche Welt von uns verlangt. — Neulich wurde ein schlechtes, aus dem Französischen übersetztes Stück, „Moliere", gegeben, das aber einige treffliche Reden gegen die heuchlerische Frömmigkeit und katzenbuckelnde Pictisterei enthielt, die sich an den Stufen des Thrones einnistet und die Staatsregierung zu einer Bckehrungspropaganda umformen möchte. Es war gerade um die Zeit, als ein wichtiges Amt in Schlesien besetzt wurde. Der Schauspieler Baison sprach jene Reden mit scharfer Acccntuation und gesundem demokratischen Unwillen. Ich dachte jeden Augenblick: jetzt geht's los, jetzt erhebt sich der Donner des Beifalls; aber es blieb still, kein Finger regte sich. Wahrhaftig, ich begreife nicht, warum stets sechs oder sieben Polizisten in's Theater geschickt werden. Manche meinen, es geschehe deshalb, um die ungebürstcccn Rothröcke an der Wohlthat der Volksbildung Theil nehmen zu lassen. Nun, von dem Benehmen der uniformirten Schüler zu schließen, muß das eine schlechte Schule sein. — Ich habe Ihnen bereits gemeldet, daß in dem Regime unserer Bühne ein wesentlicher Wechsel vor sich gegangen ist. Herr Or. Rinds, der bisherige Dramaturg und Generalbevollmächtigte des Direccors, Herrn von Vcierst, ist nach mehrjähriger Wirksamkeit ausgeschieden; und nach dem Scheitern der mit dem Herrn Dr. Schweitzer wegen der Uebernahme der erledigten Functionen geführten Unterhandlungen, hat, zu einigem Erstaunen der Stadt, Herr von Holtei die Stelle überkommen. Wer die theatralischen Fahrnisse des Herrn von Holtei, dessen Leben sich dadurch auszeichnet, daß »ihm bisher Alles mißglückt und verunglückt ist, kennt, kann an einen längeren Bestand des von ihm eingegangenen Verhältnisses nicht glau- m-s 133 ben, und dieser Bestand ist zuverlässig nur unter zwei Bedingungen möglich: daß Herr von Holtei weder eins seiner Stücke aufführt, noch selbst als Acteur auftritt, zwei Bedingungen, denen auszuweichen ihm bei seinen bekannten Marotten schwer fallen wird, indeß ihm jede Unvorsichtigkeit nach der einen jener Seiten sofort seine Stellung verleiden wird. Seit dem Erscheinen der „vierzig Jahre" ist seine Situation in unserer Stadt sowohl, als bei dem Theater schwierig geworden. Wer wird nicht eine Wiederholung pikanter Jndiscretionen, ein rücksichtsloses Ausplaudern graziöser Liederlichkeiten fürchten? — Viele Anzeichen deuten darauf hin, daß wir eine geheime Polizei besitzen. Das ist ganz in der Ordnung. Das Volk hat immer eine Meinung, und wenn diese sich nicht öffentlich durch Schrift und Rede aussprechen darf, so thut sie's im Geheimen, unbehorcht und unbe- lauscht. Die Regierung muß die Meinung des Volkes kennen, um ihre Maßnahmen darnach einzurichten. Die öffentlich-geh eine Meinung kann sie aber nur durch geheime Polizei erfahren, jenes schlechte und widerliche Surrogat der Preßfreiheit. Früher nahm unser Bürger kein Blatt vor den Mund und kritisirte frischweg Minister und Räthe. Jetzt sieht er sich erst zehnmal um, ehe er ein Wort spricht, und vergißt gewiß nicht, hinzuzusetzen: unter uns gesagt. Vor einigen Tagen war ich in einem öffentlichen Locale, wo sich viele schlichte Bürger versammelt hatten. Eine Justizperson sprach sich etwas bitter gegen eine richterliche Behörde aus. Tags darauf liegt schon die gehässigste Denunciation auf dem Bureau dieser Behörde. — Die hiesigen Bäcker feierten ein Fest in dem Gasthofe zur „goldenen Gans." Tags darauf weiß unsere Polizei besser, als mancher der ehrlichen Meister, was die „unruhigen Köpfe" den Junftgenossen in's Gewissen geredet. — Vor einigen Tagen trafen die neuen Freilig- rath'schen Aeitgedichte „Ein Glaubensbekenntniß" betitelt, hier ein. Ich erinnere mich nicht, daß je eine literarische Erscheinung solche Wirkung hervorgebracht, als diese Lieder des entpensionirten Dichters. Herweg!) schlug in die junge Generation gewaltig ein, Freiligrath hat das ganze deutsche Volk getroffen. Der Schmerz des getäuschten Preußen weint aus ihm; er gab dem sarkastischen Patriotismus die lang entbehrten Worte. Einen Kranz für ihn! — Der Breslauer Verein gegen das Hutabnehmen fand nach dem alten Sprichworte, daß ein Narr viele Narren macht, in den Pro- vinzialstädten Nachahmung. Der Mensch wird erst durch Erfahrung klug, und so sind denn auch diese Reformers bald zu der Ueberzeugung gekommen, daß sie ihre verkappten Grundsatze nicht consequent durchführen können. Die Anwesenheit des Königs brachte ihren Statuten zuerst ein bedeutendes Loch bei. Sodann fühlten sie auch die Gemeinschädlichkeit des Vereins, als ein Dominialbesitzer einen seiner Eingesessenen wegen der neuen Art des Gcüßens tüchtig durchgeprü- 134 gelt hatte. Ein Artikel, der den Verein im Namen der Humanität beschwor, zurückzukehren in den Schooß der hutabnehmenden Gesellschaft, wurde von unserem Censor gestrichen, wanderte darauf zum Obercensurgerichte, wo er sechs Monate lang verweilte, um so zurückzukehren, wie er hingegangen. Der Verfasser hatte nämlich den Gerichtshof submissest um endlichen Bescheid über sein Product gebeten; dieser aber schickt den Däumlings-Artikel, fünfzehn oder zwanzig Zeilen groß, sofort ohne Bescheid mit dem Lakonismus zurück: Auf Verlangen retour. III. Aus Hamburg. Roch einmal, aber zum letzten Mal „Therese und ihre kritischen Freunde." — Theresens Porträt in der „Jllustrirten" oder die eigentliche Malice des Rntitheresianers. — „Moritz von Sachsen" auf der Hamburger Bühne. — Theaterkrieg. Wenn man gegen Damen schreibt, sollte man sich wenigstens von aller absichtlichen, unverkennbaren Malice fern zu halten suchen, wäre es auch nur, um die abgesendeten Pfeile nicht gar zu weit ab vom Ziele ankommen zu sehen. Hätte sich doch der Einsender des Artikels „Therese von Bacheracht und ihre kritischen Freunde" mindestens dieser negativen Tugend ergeben gezeigt. Daß er künftig, bei ähnlichen Waffengängen, etwas ritterliche Galanterie mit in die Arena bringen möge, verlangen wir durchaus nicht. Unser Zeitalter und seine literarische Kritik will weder ritterlich noch galant sein. — Ich werde mich wohl hüten, die Ansicht des „Einsenders" von Theresens schriftstellerischen Werthe, von ihrem Dilettantismus und dem Nicht- vorhandensein eines innerlichen Dranges zur literarischen Production u. s. w. irgend zu bekämpfen. Ein echtes Talent hat von jeher in der öffentlichen Schätzung die schroffste Controverse hervorgerufen; nur hinsichtlich der flauen, farblosen Mittelmäßigkeit laufen alle Meinungen gleich in einen und denselben Endpunkt aus. Höchstens trägt das gedruckte Urtheil Schminke oder Maske; die kritischen Gewissen reden dennoch aus einer Tonart. Gutzkow mag sich in Betreff seiner von dem „Einsender" so erbittert bestrittenen Werthschätzung Theresens selbst vertheidigen; er ist sicher der Mann dazu. Der Verf. des gleichfalls und mehrfach angegriffenen Artikels in der „Jllustrirten Zeitung" - - Schreiber dieser Zeilen nämlich — will seinen Aufsatz nicht verläugnen, der, ganzlich freier und unabhängiger Ansicht entsprungen, in mannichfachen gleichlautenden Urtheilen der ersten kritischen Stimmen Deutschlands dauerhafte Stützpunkte findet. Freilich ist's mir nicht in den Sinn gekommen, Theresen ihren Platz neben oder gar über Georges Sand anzuweisen, wie der „Einsender 135 mit Entrüstung behauptet. Von einer solchen Parallele ist in dem Aufsatze der „Jllustrirten" auch nicht entfernt die Rede, sondern, vom „Falkenberg" sprechend, sagte ich in dem angegriffenen Artikel: „Das Lesepublicum, wir meinen nicht die buchverschlingende Allgemeinheit, sondern den feineren Niederschlag, den nachdenkenden, wichtigeren Theil desselben, liest „Falkenberg" mit Ernst und Nachdenken. Auch meint man in Bezug auf diesen Roman,*) es müsse wohl, fern von dem Gewirr der Tagesstreitigkeitcn, ein unterirdischer stiller Geist eine Zeitung redigiren, die recht eigentlich die öffentliche Meinung beherrscht, einen unfehlbaren Moniteur des Zeitgeistes, den Niemand sieht, für den Niemand ein Abonnement bezahlt und den doch Alle lesen und dem sie Alle glauben. Dieser journalistische Ueberall und Nirgend muß sich demnach wohl zu Gunsten „Falkenbergs" ausgesprochen haben, und so wollen wir hier unerörtert lassen, ob das Buch wirklich nur eine ansprechende Variation des „Leone Leoni" der Dudev ant-Sand, ob das romanhafte Interesse darin zu sehr in den Hintergrund gedrängt wird durch Reflexion und psychologische Spitzfindigkeiten u. s. w." Da haben Sie das angeblich gewagte Uebersehen unserer deutschen Therese über die geniale Aurora. Doch ward bis jetzt nur die Unredlichkeit, oder der Leichtsinn des „Einsenders" hinsichtlich haltloser Behauptungen dargethan. Seine oben gerügte Malice, welche mir fast den Schlüssel gab zum Rebus seines seltsamen Artikels, steckt darin, daß er das von der „Auftritten Zeitung" gebrachte Porträt der Frau von Bacheracht als vollkommen ähnlich bezeichnet, wahrend es nach dem allgemeinen Urtheile nichts weniger war als das. Der strenge Ausdruck eines Daguerreotypbildes vereinigte sich nämlich mit den starren, harten Linien eines Holzschnittes, um durch das Medium der Druckerschnellpresse ein ordinäres, geistloses und trübseliges Konterfei eines weiblichen Gesichts zu geben, das, ward ihm auch blühende Jugendfrische schon abgestreift, noch immer sehr anmuthig genannt werden darf und besonders durch ein großes, dunkles, brennendes Auge ungemein viel Colorit und Seele erhält. So viel Gerechtigkeit muß ich diesen bedeutsamen Zügen, selbst auf die Gefahr hin, ein Eraltado genannt zu werden, um so eher widerfahren lassen, da sie gewissermaßen nicht ohne meine Schuld, in mehr als zehntausend Exemplaren entstellt, nach allen Himmelsstrichen gesandt wurden. Und welche Dame wäre geistreich genug, derartige Unglücksfälle leichthin zu verschmerzen. Therese konnte das vielleicht so wenig, wie sie sich, was der „Einsender" als Beweispunkt wider ihre Originalität und Unmittelbarkeit anführt, aus den natürlichsten socialen Banden zu befreien vermochte. Wohl ihr, daß sie nie den *) Im Feuilleton der Köln. Zeitung vom Nov. oder Decbr. 1343. 130 Versuch gemacht, so viel ich weiß. Das Absurde jenes Verlangens darzuthun, ist sicher unnöthig! Hätte sich aber Therese die Dudevam wirklich zum Vorbild und leuchtenden Muster gewählt, so würde sie dennoch wohl die thatsächliche Emancipation auf eigene Hand, im weitesten Sinne des Wortes, davon ausgeschlossen haben. Uebrigens hat sie, wie ich auf Ehrenwort versichern kann, keine Ahnung von der Einsendung dieser Zeilen. „Moritz von Sachsen" hat bei uns kein Glück gemacht. Die Kritik applaudirt, ganz wie das Publicum, nur bedingungsweise, und mehr der subjectiven Gesinnung des Dichters, als ihrem kunstgerechten Verschmelzen mit seinen dramatischen Charakteren, denen wirklich die tönendsten Phrasen wie coquettirende Schminkpflästerchen aufgeklebt scheinen. Prutz hat ein ganzes Feuerwerk freisinniger Redensarten verkrallt und verpufft, aber das Alles läßt keinen nachhaltigen Eindruck zurück. Wundern mußt' ich mich übrigens hinsichtlich der schnellen Auffassung und des vollstimmiger Applauses, welcher jenen kecken Schlagwörtern auch bei unserem mercantilischen Publicum geworden. Baison als Moritz und Grunert als Karl V. waren gleich brav. Nur fehlte dem Ersteren ein genügender Anflug von Poesie und Romantik, welcher ein dem Egmont verwandter Charakter wohl mitbringen dürfte, und dem Letzteren der vollkommene Ausdruck eherner Majestät und imponirender Herrfcherhoheit. — Zwischen dem Stadt- und Thaliatheater sind in auswärtigen Blattern sehr überflüssige und widerwärtige Awistigkeiten ausgebrochen, welche bereits in llicu ein Journal- und Broschüren-Echo fanden und weiter führen könnten, als beiden Parteien lieb sein dürfte. IV. Aus Berlin. Leipziger Meßfremde in Berlin. — Königliches Jndustriefest in Potsdam. — Herr von Falckenstein. — „Ein Glaubensbekenntnis!" vonFreiliarath. —Spon- rini und das neue Opernhaus. — Die Berichtigung des Herrn Prof. Gubitz. Noch immer dauern die Festtage der Industrie fort; die Leipziger Messe findet zum Theil in Berlin statt, indem fast sämmtliche Meßfremde die kurze Fahrt auf der Eisenbahn hierher unternehmen, um sich die Herrlichkeiten der GeWerbeausstellung und nebenbei auch die Kunstausstellung, den neuen zoologischen Garten, das Museum und die Theater anzusehen. Fast an allen Orten begegnet man' jetzt fremden Gesichtern, und für einheimische Berliner ist in den hiesigen kleineren Schauspielhäusern kaum mehr ein Platz zu erlangen, da die vollgepropften Gasthöfe schon im Voraus die Logen und das Parquet in Beschlag zu nehmen pflegen. Wenn das so fortgeht, wenn immer neue Gäste ankommen und nur wenige abreisen, weil die meisten dle 137 Feste des Königs und des Gewerbevereins abwarten wollten, dann wird selbst das bekanntlich für seine Einwohnerzahl viel zu weitschichtige Berlin ein enges Wohnhaus; indessen wird der Frcmdenandrang jetzt wohl seinen Höhepunkt erreicht haben, da die GeWerbeausstellung am 20. October geschlossen und auch die Jahreszeit immer unfreundlicher für den Aufenthalt in einer fremden Stadt wird. — Das Fest, das der König den fremden und einheimischen Industriellen in Potsdam veranstaltet hat, gleicht ganz dem zu ähnlichen Zwecke von Ludwig Philipp in Versailles gegebenen. Es ist damit eine theatralische Borstellung im sogenannten neuen Palais verbunden; auch wird heute der alte Landsitz Friedrich's des Großen, das schöne Sanssouci mit seiner prachtvollen Terrasse glänzend erleuchtet sein. Ueber das große Fest, welches der Gewerbeverein in diesen Tagen den fremden Industriellen und Technikern im Kroll'schen Locale veranstaltet, hoffe ich, Ihnen Näheres schreiben zu können, da ich, obwohl weder zu den Einen, noch zu den Andern gehörend, doch von einem gewerbfleißigen Freunde dazu eingeladen worden bin. — Von unseren Ministcrver- anderungen, sowohl von den bereits eingetretenen, als von denen in «no mag ich Sie nicht unterhalten, da Sie hierüber doch nur zu viel schon in den politischen Blattern zu lesen bekommen und am Ende doch Alles beim Alten bleibt. Den neuen königlichen sächsischen Minister, Herrn von Falckenstein, der zur GeWerbeausstellung hierher gekommen war, haben wir als einen hochgebildeten und allem Anscheine nach seine Zeit und die Forderungen derselben sehr wohl begreifenden Mann kennen gelernt. Wir können nicht sagen, daß wir dieselbe Bemerkung auch bei einem zu demselben Zwecke hierher gekommenen Minister Ernst August's, bei einem College-: des Herrn von Scheele, gemacht, welcher letztere jetzt vor einem Richterstuhle steht, vor welchem auch die unverantwortlichen Minister des Königs von Hannover verantwortlich sind. Recht überrascht haben hier die kürzlich eingetroffenen Zeitgedichte von Freiligrath, die er unter dem Titel „Ein Glaubensbekenntniß" bei Victor von Aabern in Mainz herausgegeben. Wir haben nie aufgehört, Freiligrath für einen Ehrenmann zu halten und ihn mehr zu schätzen als seine pochenden und prahlenden Gegner, die es ihm nicht verzeihen konnten, daß ihm der König von Preußen aus freien Stücken eine Penston von dreihundert Thaler bewilligt hatte. Jetzt erfahren wir, daß er die vielbesprochene kleine Pension in die Hände des Königs zurückgegeben und sie seit Neujahr 1844 nicht mehr erhebe. Erbat in jenem „Glaubensbekenntniß", in welchem er sich offen und entschieden zur Opposition bekennt, neben den unzweideutigen Lauten der letzteren auch die Gedichte der vorangegangenen Periode mitgetheilt, in welcher er noch geschwankt und gehofft hat, aber nie seine Ueberzeugungen verläugnete. Jetzt ist sein Gesicht nur der Zukunft zuge- <«rc»zbote» I»i4. II. 138 warte. — Mit diesem Manne der Zukunft ist zugleich ein Mann der Vergangenheit hiev eingetroffen, und zwar ein Mann, der wie die Vergangenheit aussieht — nämlich Herr Spontini. Dieser General- oder vielmehr Marschallkapellmeister hat sich durchaus vorgesetzt, die erste Musik in den wiederauferstandenen Opernhause zu dirigiren, dessen Mauern, wie sein Neubau ergeben haben soll, durch die Amboß- und Kanonenschläge des „Alcioor" und der „Nurmahal" so erschüttert waren, daß sie auch ohne die Feuersbrunst einer Ausbesserung bedurft hatten. Um nun das Unglück von dem neuen Hause abzuwenden, laßt man die Festouvertüre, die Herr Spontini neu compo- nirt und mitgebracht, einstweilen in dem alten Schauspielhause pro- biren, um zu sehen, ob dieses es wohl aushält, während man die Eröffnung des Opernhauses vom Geburtstage des Königs (15. Octbr.) auf den Monat December verschoben hat. Herr Prof. Gubitz hat, wie ich jetzt erst erfahre, auch in seinem „Gesellschafter" die Berichtigung abdrucken lassen, die er den „Grenzboten" eingesandt, und zwar dort nicht blos wie sie sich in diesem Blatte befindet, sondern auch wie er sie ursprünglich mit einigen Schmähungen gegen den Unterzeichneten ausgestattet. Es gehörte wirklich, außerordentliche Naivetät dazu, Ihnen die Aufnahme solcher Schmähungen zuzumuthen, und es liefert dies den Lesern des „Gesellschafters" selbst einen Beweis von dem außerordentlichen Tacte seines Redacteurs. Was aber hat Herr Gubitz durch seine Erwiederung — von den Schmähungen wollen wir aus Achtung vor Ihren Lesern nicht weiter reden bewiesen? 1) daß er zwar die Zettel des Königsstadtischcn Theaters gedruckt, sich aber jetzt bei der großen Beschäftigung seiner Offizin Nichts daraus mache, wenn sie nicht mehr bei ihm gedruckt werden; 2) daß auch die Spener'sche Zeitung das Spiel des Herrn Nestroy getadelt habe. Herr Gubitz sagt zwar auch beiläufig, er schreibe die Königsstadtischen Theatcrartikel nicht mehr, aber er vergißt hinzuzufügen, daß sie unter seiner Anleitung und Redaction abgefaßt sind. Wir unsererseits haben dagegen Nichts weiter als eine Thatsache gemeldet, die nämlich, daß man es hier sehr un- gastfreundlicl) gefunden, wie Herr Nestroy in der Vossischen Zeitung, und zwar dem Anscheine nach aus persönlichen Gründen, die dem geschätzten Gaste ganz fern liegen, behandelt worden. Wir glaubten eine solche Erklärung dem wackern fremden Künstler in einem Journale schuldig zu sein, das in seiner Heimach viel gelesen wird. Andere Gründe haben uns nicht bestimmt, und wenn der „Gesellschafter" auf unehrenhafte Motive hindeutet, so weisen wir diese mit Verachtung zurück. Justus. 139 V. Aus Kiel. Thätigkeit der Schleswig'schen Stände. — Verfassung, Wehrpflichtgesetz, die neue Städte- und Gewerbeordnung. — Die Holstein'schen Stände. — Journalistische Unternehmungen. — Verluste der Universität. — Theater. — Die Ostsecvahn. — Peter von Kobbe. Die diesjährige Diät der Schleswig'schen Stände ist am 9. September geschlossen und somit ein Ueberblick über die gesammte Thätigkeit derselben möglich. Sehr wichtige Gegenstände sind diesmal zur Berathung gekommen, andere nicht minder wichtige unerledigt geblieben. Zu erstern gehören die Antrage auf eine gemeinsame Verfassung für die beiden Herzogthümer, auf ein allgemeines Civilgesetzbuch, auf Trennung der Finanzen von denen des Königreichs, auf Vereinigung der beiden Ständeversammlungen, die Berathung über das von der Regierung vorgelegte neue Wehrpflichtgesetz, über eine neue Städte- und Gewerbeordnung u. s. w., zu den letzteren leider die Anträge aufGeschwornengcrichte, Preßfreiheit u. A. Im Ganzen ging es in dieser Diät, im Vergleich mit der vor zwei Jahren, wo der famose Sprachstreit so gewaltige Wirren anregte, sehr friedlich zu. Da es keinem der diesmaligen Mitglieder eingefallen war, Dänisch zu sprechen, so kam die Sprachsache gar nicht wieder in Erwähnung, und will man also die kleinen beiläufigen Anzapfungen, die bei der jetzt so allgemein im Herzogthum Schleswig herrschenden Stimmung gegen die Dänen, nicht ausbleiben konnten, so wie die in der Schlußsitzung vom Präsidenten abgegebene energische Erklärung, worin derselbe im Namen der schleswigschen Stände gegen alle und jede unbefugte Einmischung der Dänischen Stände in die Angelegenheiten der Herzogthümer protestirte, abrechnen, so trat der Antidanismus dieses Mal in sehr gelinder Weise auf. Am deutlichsten zeigte sich übrigens das in diesen Ständen herrschende Princip bei der Schlußberathung über eine neue Verfassung; der von der Majorität angenommene Entwurf ist eine entschiedene Ausgeburt der hier zu Lande dominirenden historischen Schule, die vergilbten Pergamente von 1460 bilden für denselben die breite Unterlage, und daher das hvperaristo- kratische Princip das bedeutendste Uebergewicht. Glücklicherweise wird an der Verwirklichung solcher Pläne, nach denen die Herzogthümer mit einem Male in die für unsere ritterlichen Junker so herrliche Zeit des Mittelalters zurück versetzt werden würden, wohl nicht ernstlich zu denken sein. Bei der Berathung über die neue Städteordnung zeigte es sich leider deutlich, daß die Schleswig'schen Stände es sich nicht besonders hatten angelegen sein lassen, ihre Befähigung für die von ihnen so oft erbetene Erweiterung ihrer ständischen Befugnis; 18-i- 14« darzuthun. Nach einem vom 2t. Mai erlassenen König!. Patent ist nämlich den Ständen die Berechtigung zugestanden, unter Vorbehalt der Königl. Sanctionirung, Stadt- und Landcommunalordnungen zu erlassen; ist aber die von den Schleswig'schen Ständen zu Tage geförderte Städteverordnung ein ersichtlich unvollkommenes, ja sogar sehr mangelhaftes Werk, so haben dieselben dem Lande dadurch ein schlechtes Zeugniß von ihrer Berechtigung gegeben, als gesetzgebende Stande aufzutreten. Durch sehr lebhafte Debatten zeichneten sich die Berathungen über das von der Regierung vorgelegte neue Wehrpflichtgesetz aus, das übrigens beinahe einstimmig, wie dies auch in den Jütschen Ständen geschah, abgerathen ward. Bemerkenswerth und eben nicht zum Ruhm der Versammlung ist hierbei, daß man mit ziemlich großer Majorität die Juden von der Wehrpflicht ausgeschlossen wissen wollte. Nur die Mitglieder Beseler und Pastor Moritzen sprachen sich mit Wärme für die Aufnahme der Juden aus, und ersterer bemerkte sehr richtig, daß ein Ausschließen von der Wehrpflicht, die man doch als eine Ehrenpflicht anerkennen müsse, eine Ehrloserklärung involvire, und daß man, was den Schleswig'schen- Standen wenig zur Ehre gereichen werde, die Juden dadurch zu Parias stemple. Sehr judenfrcsserisch, trotz Ghillanv und Consorten, wüthete der Pastor Lorentzen von Adelbye, halb Marquis Posa, halb Kalinsky des Herzogs von Augustenburg, und führte unter andern lächerlichen Gründen, auch den an, daß die Juden zu feige wären, um Soldaten zu werden. O Du tapfrer Pastor Lorentzen von Adelbye! — Am 15. Oktober werden die Holsteinischen Stände in Itzehoe zusammenkommen, wo ungefähr dieselben Gegenstände, wie in Schleswig, zur Berathung vorliegen. Man darf wohl mit Recht von diesen Ständen Bedeutendes erwarten, da sich unstreitig unter denselben mehr wirklich politisch durchgebildete Männer befinden, als in Schleswig, wo ein Mann wie der Autodidakt Tie bemann, der eigentlich Nichts, als ein guter Rechenmeister, vielleicht auch ein wohlmeinender Patriot ist, das große Wort führen kann. In Itzehoe werden die Geschwornengerichte namentlich sehr warme Vertheidiger finden, unter denen der alte biedere Lock und vor Allen der unermüdliche Hans Reimer Claussen, der im Uebrigen, als sogenannter Neuholsteiner, der entschiedenen Majorität der Schleswig-Holsteiner gegenüber, dort eine exceptionelle Stellung einnimmt. — Der vor einiger Zeit in Karlsbad erfolgte Tod des Geheimerath Spieß, Präsidenten der höchsten Regierungsbehörde der beiden Herzogthümer, hatte eine kurze Zeit die Besorgniß erregt, daß der von den Dänen so oft ausgesprochene Wunsch, einer Trennung dieser Behörde, so daß Schleswig unter eine Dänische verlegt werde, Holstein eine eigene bekomme, verwirklicht werde — doch hört man jetzt mit Bestimmtheit, daß dies nicht der Fall werden wird, nennt übrigens als künftigen 141 Präsidenten der nach wie vor gemeinsamen Schleswig-Holsteinischen Regierung einen Grafen Neventlov, von dem man eben nicht viel mehr weiß, als daß er als Prälat eines adeligen Fräuleinstiftes in der schleswigschen Ständeversammlung eine Virilstimme hatte und unter andern als warmer Vertheidiger der mittelalterlichen Jagdgerechtsame auftrat, und daß sein Bruder der Verfasser verschiedener mittelmäßiger Gedichte ist. — In unserer Stadt, bekanntlich der Brennpunkt der geistigen Interessen der Herzogthümer, herrschte auch in diesem Sommer ein recht reges Treiben. Namentlich sind die Neuen Kieler Blätter seit der Redaction des Lorenzen der Tummelplatz mancher interessanten Debatte geworden, wie z. B. noch kürzlich zwischen Hege- wisch und Heiberg über das Zweikammersystem, das ersterer, ein unbedingter Anhänger nicht blos der englischen Verfassung, sondern aller englischen Zustände, vertheidigt. Das Kieler Correspondenz- blatt, das sich neuerdings viel mit unseren Militärangelegenheiten beschäftigt hat, verharrt in seiner Neuholsteinischen Tendenz und findet daher nicht überall Anklang. norddeutsche Blätter sollen, wie man gewiß vernimmt, bei dem rührigen Verleger Christian Bün- sow Hierselbst erscheinen, sie werden von Berlin aus redigirt, und Meyen, Nauwerk, die beiden Bauer und Andere Mitarbeiter werden. Möge das Vertrauen, das man bei diesem Unternehmen auf die Milde unserer Censur setzt, nicht betrogen werden. Das vor Kurzem erlassene königliche Patent, in welchem der Bundesbeschluß wegen der Censur von auswärts gedruckten Flugschriften unter zwanzig Bogen u. s. w. auf's Neue eingeschärft ward, und das Verbot eines von den hiesigen Studirenden intendirten Lesevcreins, ferner auch das Untersagen der angekündigten Vorlesungen Lorenzen's, lassen es deutlich merken, daß unsere derartigen Zustände nicht blos particulären Einflüssen unterworfen sind, und daß unser König-Herzog, der sich bekanntlich bei seiner Thronbesteigung selbst „den wärmsten Freund der freien Presse" nannte, hierin nicht seinen eigenen Neigungen allein folgt. — Unserer Universität steht wieder ein bedeutender Verlust bevor, da der Professor Burhardi, einer der ersten Romanisten Deutschlands, zum Rath beim hiesigen Oberappcllationsgericht designirt ist. Es gibt wohl kaum eine kleine Universität in Deutschland, die so viele bedeutende Namen unter ihren Lehrern zu allen Zeiten aufzuführen gehabt hat, wie unser Kiel, aber leider bleiben die Berühmtheiten nur kurze Zeit und folgen dann gern dem Rufe in einen größeren Wirkungskreis; Männer, wie Thibaut, Feuerbach, Welker, Dahl- mann, TWesten haben uns angehört, und erst in neuester Zeit verloren wir wieder Kjerulf nach Rostock, Hansen und Günther nach Leipzig, Michelsen nach Jena, Dorn er nach Königsberg, Jahr nach Greifswald, Osenbrüggen nach Dorpat. Warum das 142 Gute nicht lange bei uns verweilt? — Nicht eben unbegreifllich — auch die Wissenschaft geht nach Brod! — Bis vor einiger Zeit haben wir auch Theater hier gehabt, das uns jetzt auf einige Monate verlassen hat, um in anderen Städten der Herzogthümer Vorstellungen zu geben, dann aber seinen eigentlichen Platz als Kieler Stadttheater wieder einzunehmen. Unsere Bühne leistet, was man so ungefähr von einer Bühne dritten Ranges verlangen kann, die Direc- tion spart nicht Kosten und Mühe, und hat sich einige recht tüchtige Mitglieder zu verschaffen gewußt. Der Charakterspieler, Herr von Sternwaldt, würde gewiß auch an größeren Bühnen an seinem Platze sein, und die erste Sängerin, Fräulein Munk, ist eine sehr begabte, liebliche Erscheinung. Der Musikdirektor, W. Teile, in der Musikalischen Welt rühmlichst bekannt, hat hier eine neue Oper zum ersten Male zur Aufführung gebracht: „Sara, oder die Waise von Glencoe", die sich eines entschiedenen Beifalls erfreute. Teile scheint seine so eben erst vollendete Oper eigentlich hier nur als Probe für sich selbst aufgeführt zu haben; er wird sie gewiß bald an größere Bühnen bringen und dort die verdiente Anerkennung finden. — Unsere Eisenbahn aufAltona, „Christian VIII. Ostseebahn" benannt, ist nun eröffnet und am 1^. September, als dem Geburtstage ihres hohen Pathen, feierlichst eingeweiht worden. Natürlich fehlte es bei dieser Gelegenheit nicht an officiellen Pomp aller Art, und nahm der Prinz Statthalter, der so eben erst aus Jütland, wohin er den König begleitete, aber an mehreren Orten von den Juden, die ihn, wie alle Dänen, bekanntlich nicht goutiren, ausgcpfissen ward, zurückkehrte, im Namen des Königs die Huldigungen u. s. w. entgegen. Franz Baltisch, der dergleichen Gelegenheiten nicht gerne vorbeigehen läßt, hatte zu dem Ende verschiedene, ziemlich abgeschmackte Reimereien versaßt, die an Ehrenpforten, im Wochenblatt und an anderen Orten paradirten. Uebrigens wollen wir den Kielern wünschen, daß die großartigen Hoffnungen, die sie nun schon Jahre lang auf diese Eisenbahn gesetzt haben, nicht in Dampf aufgehen mögen. — In der Nähe von Hamburg starb vor Kurzem unser Landsmann, der Dr. ^ur. Peter v. Kobbe, bekannt als Historiker und namentlich durch viele juristische Schriften, indem er fast immer zu Gunsten peinlich Angeklagter aufgetreten ist. Seine Wirksamkeit in den> Prozessen Fualdes und Fort hat ihm schon damals einen Namen gemacht, besonders aber lenkte er die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich durch sein Jnterveniren in dem bekannten Ranke'schen Criminalfall. Ramle war schon auf dem Wege nach der Richtstätte, als ein Kö- nigsbcfehl zur Einstellung der Erecution anlangte, den v. Kobbe, der einen Tag vorher den Inculpaten gesprochen und sich von dessen Wahnsinn überzeugt hatte, nach einer formten Reise unter ungemeinen Anstrengungen, beim Könige selbst auszuwirken gewußt hatte. 143 Der Proceß ward jetzt revidirt, was nach langer Zeit, wo man von Seiten der Gerichte sich dem Streben v. Kobbe's unverholen abhold gezeigt hatte, dahin endigte, daß die Todesstrafe in lebenslängliche Zuchthausstrafe umgeändert, v. Kobbe's Behauptung jedoch, der Thäter sei bei Vollführung der That wahnsinnig gewesen, durch medicinisches Gutachten umgestoßen ward. v. Kobbe erntete für seine ungeheuren geistigen und körperlichen Anstrengungen in dieser Sache und für Opfer aller Art, wenig Lohn. Die Behörden, die sich in ihrem alten zunftmäßigen Schlendrian ungern gestört sahen, legten ihm, statt seinem humanen Streben behilflich zu sein, alles mögliche in den Weg, und pedantische Fachmenschcn, oder ambitionirende Jünglinge, die sich durch Bekämpfung eines Mannes, der es wagte, so offen gegen das officielle Verfahren hochgestellter Behörden einzuschreiten, Eingang in gewisse hohe Portale zu erfechten glaubten, versuchten es auf jegliche Art, ihn als einen phantastischen Schwärmer darzustellen. Doch fehlte es v. Kodder auch nicht auf der andern Seite an mancher beistimmenden Ermunterung und es ward ihm mancher Zuruf von seinen jungem Landsleuten, die zur „schlechten Presse" zählten. Die Hamburger Neue Zeitung enthielt unter Andern damals folgende Verse an ihn von G. v. Rosen: „So recht! Du wackrer Ringer, Sieh' kühn Dein tapfer Schwert, Acrbrich den alten Zwinger, Wenn Dir dos Thor verwehrt! Tritt kühnen Schritt's zum Streite, Geöffnet Dein Visir, , Es statt're in die Weite Dein strahlendes Panier! Auf Deiner Feinde Fahnen Steht Dunkelheit und Nacht, An Deines Kampfes Bahnen Führt helle Morgenpracht. Sieh! in der Feinde Schaaren Steh'n Finsterlinge nur, DK Deine Banner wahren, Die geh'n auf lichter Spur. Es muß Dein Banner siegen, Die Wahrheit führt zum Licht, Die Lüge muß erliegen, Wenn sie der Lichtgeist bricht!" v. Kobbe war gerade mit einer Widerlegung der von Graba in Sachen des Ranke'schen Processes erschienenen Schrift beschäftigt, als ein Blutsturz seinem thätigen, dem Kampf für das Recht geweihten Leben, ein Ende machte. Er hinterläßt eine zahlreiche Familie in eben nicht glänzenden Umständen. Sein Bruder ist der bekannte Theodor von Kobbe, Herausgeber der „Humoristischen Blätter" in Oldenburg. — n. 144 VI. Notizen ans Wien. — Zur Gewerbe-Ausstellung, die im Frühjahr 1845. stattfinden soll, werden schon jetzt Vorbereitungen getroffen. Aus den Sälen des kaiserlich königlichen polytechnischen Instituts schafft man die wissenschaftlichen Sammlungen weg; auch die Kunstausstellung wird unterbleiben müssen, — um Platz zu machen. Die Kunst weicht überall der Industrie. Kuppelwieser machte dem Fürsten Lichtenstein, der sein Palais in der Schenkenstraße für zwei Millionen Gulden C.-M. mit kostbaren Tapeten und Meubles herstellen laßt, den Antrag, auch einige Fresken malen zu lassen, was der Fürst, den seine Pferde zu viel kosten, natürlich ausschlug. — Das Gerücht will Freiherrn von Kübeck noch immer zum Finanzminister und zum Grafen (dazu ist er durch das Großkreuz des Leopoldordens gleichsam berechtigt) erheben. — Die Eisenbahnen, besonders die Gloggnitzer, stellen fortwährend unmäßige Fahrpreise, was bis jetzt, außer den „Sonntagsblättern", kein Blatt zu rügen wagte. Lobenswerth ist dagegen die neue Einrichtung der Dampfschifffahrtsgesellschaft, daß die nach Ungarn Fahrenden unmittelbar beim Rothenthurmthor landen und sich embarkiren können. Eine ähnliche Einrichtung für die nach Linz Reisenden verhindern bis jetzt die Holzschisszüge bei Nußdorf. Auch die Besitzer der Schisshütten am Rothenthurm hatten bei Sr. Majestät selbst eine Beschwerde eingereicht gegen das Landen des Dampfbootes daselbst, weil durch die heftige Bewegung des Wassers — einige Karpfen abstehen. — Prechrler's „Kconenwächter", dieser Tage in der Burg ausgeführt, sind eine geschickte Virchpfeifserei, ohne Ideen und Charaktere, haben jedoch eine klingendere Diction, als die weiland Stegmayer'schen Stücke. Mehrere Wiener Journale sagen dasselbe, nur nicht «-ins >»i>ri»8e. — Ein Localstück „Krämer und Com- mis" (in der Josephstadt ausgeführt), wurde plötzlich verboten; der Kaufmann „zum Bpsilanti" hatte nämlich geklagt, er sei im Krämer und sein Schwiegersohn im Commis aristophanisirr. Doch dauerte das Verbot nicht lange, da sich fand, daß kein Grund zum Jnjurien- proceß vorlag. Aufsehen machte die Confiscirung mehrerer Nummern des Frankfurter Eonversationsblattes und eines Heftes der „Grenzboten", worin die „Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs" von Stephan Thurm waren. Natürlich wurde die verbotene Waare desto gieriger gesucht und gelesen. Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda Druck von Friedrich Andrä.