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Derzeit wird in Deutschland zur Überwachung der Poliofreiheit eine syndromische Surveillance hospitalisierter Patienten mit aseptischer Meningitis/Enzephalitis und akuter schlaffer Paresen durchgeführt (Enterovirus-Surveillance, EVSurv).

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robert-koch-institut/Polioviren_im_Abwasser-PIA

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Datensatzdokumentation

Polioviren im Abwasser - PIA

Robert Koch-Institut | RKI
Fachgebiet 15 | Virale Gastroenteritis- und Hepatitiserreger und Enteroviren
Seestraße 10
13353 Berlin

Umweltbundesamt | UBA
Fachgebiet II 1.4 | Mikrobiologische Risiken
Wörlitzer Platz 1
06844 Dessau-Roßlau


Zitieren
Robert Koch-Institut und Umweltbundesamt (2023): Polioviren im Abwasser - PIA, Berlin: Zenodo. DOI: 10.5281/zenodo.8036435

Einleitung

Derzeit wird in Deutschland zur Überwachung der Poliofreiheit eine syndromische Surveillance hospitalisierter Patienten mit aseptischer Meningitis/Enzephalitis und akuter schlaffer Paresen durchgeführt (Enterovirus-Surveillance, EVSurv). In der Endphase der Polioeradikation könnte jedoch zusätzlich auch die virologische Untersuchung von Abwasserproben als Frühwarnsystem eine größere Rolle spielen. Um auf die perspektivischen Veränderungen der WHO-Anforderungen adäquat reagieren zu können, wurde am NRZ PE im Rahmen eines laufenden Pilotprojekts eine Methode zum sicheren Nachweis von Polioviren aus Abwassserproben etabliert. Diese Machbarkeitsstudie erfolgt in enger Kooperation mit dem Umweltbundesamt (UBA). Seit Mai 2021 werden wöchentlich Abwasserproben aus mehreren Klärwerken einer deutschen Großstadt auf Polioviren untersucht. Dabei liefert die Anzucht auf verschiedenen Zelllinien (RD, L20B) mit anschließender Sequenzierung der proteinkodierenden VP1 Region die besten Ergebnisse.

Datensatz und Entstehungskontext

Die Poliomyelitis (Polio, Kinderlähmung) ist eine durch Polioviren (Typ 1, 2, 3) verursachte Infektionskrankheit, die zu bleibenden Beeinträchtigungen der infizierten Personen führen kann. Im Jahr 1988 wurde von der WHO das Ziel ausgerufen, Polioviren global zu eradizieren. Seit dem Start dieser Global Polioeradication Initiative (GPEI) wurde mithilfe zahlreicher Maßnahmen, insbesondere der Impfung, die Zahl der Poliofälle weltweit drastisch reduziert. Aktuell sind Polioviren noch in zwei Ländern auf der Welt endemisch (Afghanistan und Pakistan). Trotz der enormen Erfolge der Eradikationsinitiative kommt es jedoch immer wieder zu Re-Importen von Poliowildviren in bereits poliofreie Länder, zuletzt nach Mosambik 2022. Doch auch vom Lebendimpfstoff abgeleitete Polioviren (vaccine derived poliovirus, VDPV) können das globale Eradikationsziel gefährden. Diese Viren können in nicht ausreichend geimpften Populationen lange Zeit unerkannt zirkulieren, sich dabei verändern und schließlich auch wieder Lähmungen hervorrufen.

Deutschland hat sich der WHO gegenüber verpflichtet, die GPEI zu unterstützen. Um die Poliofreiheit eines Landes zu überwachen gibt es verschiedene Surveillancesysteme. Als Goldstandard wird die Überwachung der akuten schlaffen Paresen (AFP) angesehen. Die für eine aussagekräftige Surveillance benötigte Anzahl an getesteten Personen wird in den westlichen Industrieländern oft nicht erreicht. In Deutschland wird eine Enterovirus-Surveillance (EVSurv) durchgeführt, die neben den akuten schlaffen Paresen auch aseptische Meningitiden/Enzephalitiden einschließt.

Da der Verlauf von Poliovirusinfektionen überwiegend asymptomatisch bzw. mit unspezifischen Symptomen verläuft und nur 0,5 - 1% aller nicht-geimpften infizierten Personen eine AFP entwickeln, ist der Nachweis eines einzelnen Poliofalls bereits als Ausbruch anzusehen, da von einer Vielzahl weiterer infizierter Personen ausgegangen werden muss. Auch asymptomatisch infizierte Individuen können infektiöse Polioviren in großen Mengen ausscheiden. Dies ermöglicht eine unbemerkte Zirkulation in der Bevölkerung und birgt eine Gefahr für immunsupprimierte sowie ungeimpfte Personen.

Die zur Gattung der Enteroviren gehörenden Polioviren werden vorwiegend fäkal-oral übertragen und über den Stuhl ausgeschieden. Daher wird der Nachweis von Polioviren aus Abwasserproben möglich und kann als zusätzliches Surveillancesystem dienen. In vielen Ländern wird es bereits erfolgreich als Frühwarnsystem genutzt, um entsprechende Maßnahmen (wie z. B. Impfkampagnen) einzuleiten bevor symptomatische Fälle auftreten. Die aktuellen Nachweise von zirkulierenden VDPV Typ 2 aus Abwasserproben in Israel, UK, USA und Kanada unterstreichen einmal mehr den Nutzen einer zusätzlichen abwasserbasierten Poliovirussurveillance.

In einem aktuell laufenden, vom BMG-geförderten, Pilotprojekt „PIA - Polioviren im Abwasser“ untersucht das Nationale Referenzzentrum für Poliomyelitis und Enteroviren (NRZ PE) zusammen mit dem Umweltbundesamt (UBA, Fachbereich Mikrobiologische Risiken) Abwasserproben aus einer deutschen Großstadt auf Polioviren. Dafür wurden zunächst verschiedene Konzentrationsmethoden auf ihre Eignung zum Nachweis von Polioviren in Abwasserproben getestet und ein geeigneter Workflow etabliert. Die Testung auf das Vorhandensein von Polioviren erfolgt mittels Zellkulturverfahren im NRZ PE in Anlehnung an die Guidelines der WHO.

Administrative und organisatorische Angaben

Im vom BMG-geförderten, Pilotprojekt „PIA - Polioviren im Abwasser“ untersucht das Nationalen Referenzzentrum für Poliomyelitis und Enteroviren (NRZ PE) zusammen mit dem Umweltbundesamt (UBA) Abwasserproben aus Deutschland auf Polioviren.  Im Datensatz "Polioviren im Abwasser - PIA" werden Daten des Pilotprojekts als Open Data bereitgestellt. Die Erhebung und Aufbereitung der Proben erfolgt durch den Fachbereich Mikrobiologische Risiken des Umweltbundesamts. Die Analyse und Datenauswertung der Proben erfolgt durch das Fachgebiet 15 | Virale Gastroenteritis- und Hepatitiserreger und Enteroviren des Robert Koch-Instituts (RKI). Fragen zu den Daten des Projekts können das Nationales Referenzzentrum für Poliomyelitis und Enteroviren unter polio@rki.de gestellt werden.

Die Veröffentlichung der Daten, die Datenkuration sowie das Qualitätsmanagement der (Meta-) Daten erfolgen durch das Fachgebiet MF 4 | Fach- und Forschungsdatenmanagement. Fragen zum Datenmanagement und zur Publikationsinfrastruktur können an das Open Data Team des Fachgebiets MF4 unter OpenData@rki.de gerichtet werden.

Datenerhebung und Datenauswertung

Probennahme und -aufbereitung

Die Entnahme der Abwasserproben wird jeweils Dienstagvormittag am gleichen Zulaufpunkt des jeweiligen Klärwerks durch Klärwerksmitarbeitende durchgeführt. Das entnommene Volumen der Schöpfprobe beträgt 1 l. Seit KW 19/2021 werden wöchentlich Abwasserproben aus zwei Kläranlagen bereitgestellt. Ab KW 33/2022 wurde ein weiteres Klärwerk in die Testung mit einbezogen.
Die entnomenen Proben werden anschließend gekühlt zum Umweltbundesamt geliefert. Das UBA konzentriert die Abwasserproben mittels PEG 6000/NaCl Fällung. Das erhaltene Konzentrat von 10-12 ml wird gefroren zum RKI transportiert.

Datenauswertung

Das Nationale Referenzzentrum für Poliomyelitis und Enteroviren untersucht die Proben mittels virologischer und molekularbiologischer Methoden auf Polioviren.

Die Poliovirusanzucht wird nach WHO-Empfehlung auf zwei Zelllinien durchgeführt: RD-A (humane Rhabdomyosarkomzellen, die eine Vermehrung aller Enteroviren, einschließlich Polioviren, erlaubt) und L20B (transgene Mauszellen mit humanem Poliovirusrezeptor für selektive Poliovirusvermehrung). Die Anzucht wird in T25-Zellkulturflaschen durchgeführt. Die Inokulation mit 500 µl erfolgt jeweils direkt nach dem Umsetzen der Zellen in die Zellsuspension. Die Zellkulturflaschen werden jeweils max. sieben Tage inkubiert und werktäglich auf das Vorhandensein eines cytopathischen Effekts (CPE) überprüft. Veränderungen im Zellbild werden dokumentiert. Bei Auftreten eines CPE in RD-A-Zellen wird der Zellkulturüberstand auf eine L20B Zellkultur passagiert. Aus dem Zellkulturüberstand der CPE positiven L20B Kulturen wird die RNA extrahiert und eine PCR (im Genomabschnitt der für das VP1 Protein codiert) durchgeführt. Anhand der Sequenz erfolgt die Typisierung (Poliovirus Typ 1, 2 oder 3) und intratypische Differenzierung (Wildviren, Vakzine abgeleitete Polioviren (VDPV), Impfviren).

Aufbau und Inhalt des Datensatzes

Der Datensatz gibt Auskunft über die Anzahl und den Typ von Poliovirusisolaten aus Abwasseruntersuchungen des PIA Projekts. Im Datensatz enthalten sind:

  • Daten zu Anzahl und Typ von Poliovirusisolaten aus Abwasserproben
  • Bericht zum Pilotprojekt „PIA – Polioviren im Abwasser“
  • Datensatzdokumentation in deutscher Sprache
  • Lizenz-Datei mit der Nutzungslizenz des Datensatzes in Deutsch und Englisch
  • Metadaten zur automatisierten Weiterverarbeitung

Vorkommen und Häufigkeit von Polioviren im Abwasser

Die Daten zu Anzahl und Typ der Poliovirusisolate aus Abwasserproben sind nach folgenden Merkmalen differenziert (in den Klammern finden sich die Variablen dieser Merkmale):

  • Berichtsdatum des RKI
  • Anzahl und Typ gefundener Polioviren
  • Eindeutige Proben-ID der Abwasserproben
  • Klärwerk der Probenentnahme

Polioviren_im_Abwasser.csv

Variablen und Variablenausprägungen

Variable Typ Ausprägungen Beschreibung
Datum Datum jjjj-Www Kalenderwoche der Probenentnahme nach ISO-8601
Klaerwerk_id Text Pseudonym des Klärwerks der Probenentnahme
Proben_id Text Eindeutige Identifikationsnummer der Abwasserproben
Virusisolate Natürliche Zahl ≥0 Anzahl der kultivierten Poliovirusisolate aus den Abwasserproben
Virus_typ Text Sabin_1-like, Sabin_2-like, Sabin_3-like, VDPV-1, VDPV-2, VDPV-3, WPV1 Zugeordneter Stamm und Typ der identifizierten Polioviren

Bericht zum Pilotprojekt „PIA – Polioviren im Abwasser“

Die Ergebnisse der fortlaufenden Abwassertestung auf Polioviren im Rahmen des Pilotprojekts „PIA – Polioviren im Abwasser“ sind als Bericht im Datensatz enthalten:

[Bericht]_PIA_Polioviren_Abwasseruntersuchung.pdf

Metadaten

Zur Erhöhung der Auffindbarkeit sind die bereitgestellten Daten mit Metadaten beschrieben. Über GitHub Actions werden Metadaten an die entsprechenden Plattformen verteilt. Für jede Plattform existiert eine spezifische Metadatendatei, diese sind im Metadatenordner hinterlegt:

Metadaten/

Versionierung und DOI-Vergabe erfolgt über Zenodo.org. Die für den Import in Zenodo bereitgestellten Metadaten sind in der zenodo.json hinterlegt. Die Dokumentation der einzelnen Metadatenvariablen ist unter https://developers.zenodo.org/representation nachlesbar.

Metadaten/zenodo.json

Hinweise zur Nachnutzung der Daten

Offene Forschungsdaten des RKI werden auf GitHub.com, Zenodo.org und Edoc.rki.de bereitgestellt:

Lizenz

Der Datensatz "Polioviren im Abwasser - PIA" ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Public License | CC-BY .

Die im Datensatz bereitgestellten Daten sind, unter Bedingung der Namensnennung des Robert Koch-Instituts als Quelle, frei verfügbar. Das bedeutet, jede Person hat das Recht die Daten zu verarbeiten und zu verändern, Derivate des Datensatzes zu erstellen und sie für kommerzielle und nicht kommerzielle Zwecke zu nutzen. Weitere Informationen zur Lizenz finden sich in der LICENSE bzw. LIZENZ Datei des Datensatzes.