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<teiHeader>
<fileDesc>
<titleStmt><title>Von Johann Ernst Wagner an Christian Freiherr Truchseß von Wetzhausen.
Meiningen, 24. Mai 1808, Dienstag</title><respStmt ref="http://d-nb.info/gnd/1155558472"><persName><surname>Jahnke</surname><forename>Selma</forename></persName><resp><note type="remarkResponsibility">Editorin</note></resp></respStmt><respStmt><persName ref="http://d-nb.info/gnd/1121508855"><surname>Neuber</surname><forename>Frederike</forename></persName><resp><note type="remarkResponsibility">Digitale Konzeption und Modellierung</note></resp></respStmt><respStmt><persName><surname>Rölcke</surname><forename>Michael</forename></persName><resp><note type="remarkResponsibility">Editor</note></resp></respStmt><respStmt><persName><surname>Lecroq</surname><forename>Axelle</forename></persName><resp><note type="remarkResponsibility">Digitale Modellierung</note></resp></respStmt><respStmt><persName><surname>Thielert</surname><forename>Pauline</forename></persName><resp><note type="remarkResponsibility">Mitarbeit</note></resp></respStmt></titleStmt><editionStmt><edition>Briefe aus Jean Pauls Umfeld. Herausgegeben an der Berlin-Brandenburgischen
Akademie der Wissenschaften von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020-). In: Jean
Paul – Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der
Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert
Miller und Frederike Neuber (2018–).</edition></editionStmt>
<publicationStmt><publisher><email>telota@bbaw.de</email><orgName>TELOTA - The Electronic Life Of The Academy</orgName><orgName>Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften</orgName><address><addrLine>Jägerstr. 22/23, 10117 Berlin</addrLine><country>Germany</country></address></publisher><pubPlace>Berlin</pubPlace><date type="publication">2020 ff.</date><availability status="free"><licence target="http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/"/></availability></publicationStmt>
<sourceDesc>
<listWit>
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<msDesc rend="manuscript" type="baseText">
<msIdentifier>
<institution>Faksimile Baumbachhaus Meiningen (ehemals Slg.
König)</institution>
<collection/>
<idno>
<idno type="shelfmark"/>
</idno>
</msIdentifier>
<physDesc><p> 1 Bl. 4°, 2 S. </p></physDesc>
</msDesc>
</witness>
<witness>
<bibl rend="print" type="witnessText">Briefe über den Dichter Ernst Wagner,
hg. von Friedrich Mosengeil, Bd. 2, Schmalkalden: Varnhagen 1826, S.
121–123 (ungenau, unvollständig).</bibl>
</witness>
<witness>
<bibl rend="print" type="witnessText">Ernst Wagner’s sämmtliche Schriften,
hg. von Friedrich Mosengeil, Bd. 12, Leipzig: Fischer 1828, S. 234–236
(ungenau, unvollständig).</bibl>
</witness>
</listWit><p>Die Sammlung König mit Briefen aus Johann Ernst Wagners Nachlass gelangte 2004 in den
Autographenhandel. Zuvor konnte das Baumbachhaus Meiningen Faksimiles der Briefe
anfertigen, wonach sich allerdings die Handschriften nicht in jedem Fall korrekt
beschreiben lassen. Einige der Briefe wurden von Bibliotheken oder Archiven
aufgekauft, der Verbleib anderer ist unbekannt, so dass die Faksimiles des
Baumbachhauses einzige Textzeugen sind.</p>
</sourceDesc>
</fileDesc>
<profileDesc>
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<correspAction type="sent">
<persName key="JP-004556">Johann Ernst Wagner</persName>
<placeName key="JP-006012">Meiningen (Meinungen)</placeName>
<date when="1808-05-24" cert="high"/>
</correspAction>
<correspAction type="received">
<persName key="JP-004347">Christian Freiherr Truchsess von Wetzhausen</persName>
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<note/>
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<keywords scheme="#correspondents">
<term corresp="#JP-011840">Meininger Freundeskreis</term>
<term corresp="#JP-011854">Bettenburger Literatenkreis</term>
<term corresp="#JP-013032">Johann Ernst Wagner-Kreis</term>
</keywords>
<keywords scheme="#topics">
<term corresp="#JP-011913">Besuche</term>
<term corresp="#JP-012543">Dank</term>
<term corresp="#JP-012314">Empfehlungen</term>
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<div type="writingSession" xml:id="Schreibakt_1">
<pb n="1"/>
<opener>
<dateline>Meiningen den 24<hi rendition="#sup"><hi rendition="#uu" hand="#author" cert="high">n</hi></hi> Mai 1808.</dateline>
</opener>
<p>Mein verehrtester Freund! <anchor type="target" xml:id="start_rlf_xdp_nnb"/>Diesen Brief bringt <hi rendition="#aq">Ihnen</hi> der Cammerreferendar
<persName key="JP-002088">Georg Keßler</persName> aus <placeName key="JP-005586">Berlin<anchor type="target" xml:id="stop_rlf_xdp_nnb"/></placeName>, von Geburt ein <placeName key="JP-005739">Franke</placeName>, am Herzen ein wahrhaft leidenschaftlicher Deutscher. In
jener grossen verderbten <placeName key="JP-005553">Babel</placeName> hat er
sich ein edles, warmes, ungemein reines und jungfräuliches Herz zu bewahren
gewußt, wie <hi rendition="#aq">Ihnen</hi> schon sein redliches Gesicht zeigen
muß. Ich liebe ihn von ganzem Herzen. Literatur, Sprachen, besonders aber eine
schön und frey ausgebildete Menschheit – das sind die Eigenschaften an ihm,
derenthalben ich es getrost wage, <hi rendition="#aq">Sie</hi> um ein gastliches
Nachtlager für ihn zu bitten. Denn er hat, als ich ihm <placeName key="JP-005591">Bettenburg</placeName> schilderte, recht darnach
geschmachtet, Ihre liebe Hand einmal zu fassen, indem er durch <hi rendition="#aq">Ihre</hi> Gegend nach der <placeName key="JP-006271">Schweiz</placeName> reist.</p>
<p><seg type="comment"><orig>Unsre Hieherreise war gerade so glücklich und ohne
Anstoß als die Hinreise</orig><note xml:id="nbm2_hm4_nnb"><ref type="letter" subtype="passage" target="JP-UB0874/#start_tdp_jgc_4nb">Wagner hatte Mitte Mai
1808 zusammen mit seinem Sohn <persName key="JP-004570">Anton</persName>, August von Studnitz und dessen Sohn Julius
sowie mit dem Meininger Erbprinzen <persName key="JP-000317">Bernhard Erich Freund</persName> Christian Freiherr Truchseß
von Wetzhausen auf der <placeName key="JP-005591">Bettenburg</placeName> besucht.</ref></note></seg>. <anchor type="target" xml:id="start_acy_fbd_4nb"/>Leider konnten wir von <hi rendition="#aq">Ihrer</hi> gütigen Empfehlung an <persName key="JP-013091">Herrn Burkhardt</persName> keinen Gebrauch machen, da
wir eben zur Kirchenzeit durch <placeName key="JP-013061">Mellerstadt</placeName> kamen.<anchor type="target" xml:id="stop_acy_fbd_4nb"/> — Zu einer andern Zeit würde uns der Verlust
einer so lieben Bekanntschaft viel näher gegangen seyn, als an jenem Tage, aber
damals waren unsre Herzen viel zu voll von <hi rendition="#aq">Ihrem</hi> eignen
Bilde, ewig verehrter Mann, als daß die Sache tiefen Eindruck auf uns hätte
machen können.<space unit="section"/>O tausend Dank, Bester, für <hi rendition="#aq">Ihre</hi> Liebe – für die Geduld, mit der <hi rendition="#aq">Sie</hi> mich ertrugen – für all die seligen Augenblicke,
die mir an <hi rendition="#aq">Ihrer</hi> Hand, an <hi rendition="#aq">Ihrem</hi> Herzen zu Theil wurden – für die Freundlichkeit, mit der <hi rendition="#aq">Sie</hi> uns <hi rendition="#aq">Ihr</hi> schönes Leben
beschauen und geniessen liessen – mit der <hi rendition="#aq">Sie</hi> uns die
Vorhänge <hi rendition="#aq">Ihrer</hi> herrlichen, köstlichen Natur und jenes
idealischen Landlebens aufrollten, das mir ewig unvergeßlich bleibt! – Ja, ich
bin nunmehr zufrieden. <hi rendition="#aq">Ihr</hi> Bild, <pb n="2"/>Ihr Ganzes,
Geliebter, lebt nun vollständig und in allen seinen <add place="left" hand="#author"><placeName key="JP-005591">Bettenburger</placeName></add>
häuslichen und thätigen schönen Bewegungen, lebendig und frisch in meiner Seele
– und so soll es leben, bis mich die Zeit verändert zur wiederaufflatternden
Psyche einer heiligern Welt. – Vergessen <hi rendition="#aq">Sie</hi> meiner
ewig nicht!</p>
<p><anchor type="target" xml:id="start_szb_sfp_nnb"/>Über <seg type="comment"><orig>die Innschrift</orig><note xml:id="nywb_j44_nnb">Die im folgenden
von Wagner vorgeschlagene Inschrift wurde nicht verwendet, stattdessen
finden sich auf dem Denkmal rechts der Trinkspruch des Truchseß: "Jung
sind wir. | Jung waren wir. | Jung bleiben wir. | Zur ewigen Jugend
erwachen wir.", sowie links "Kehrst du nicht mehr wieder. | Alte
Ritterzeit? | Zeit der Minne-Lieder! | Zeit der Biederkeit! | Wollt nur
deutsche Brüder | Und sie wird erneut."</note></seg> an <hi rendition="#aq">Ihr</hi>
<seg type="comment"><orig>Minnesingerdenkmal</orig><note xml:id="nykm_d44_nnb">Das Minnesängerdenkmal im Landschaftspark der Bettenburg, heute noch
erhalten.</note></seg> habe ich viel nachgedacht, und wohl zehn
verschiedene Innschriften gemacht. Aber die beste und einzig schickliche bleibt
mir immer die:</p>
<p>
<hi rendition="#c"><seg type="comment"><orig><anchor type="target" xml:id="start_bpc_ljw_xnb"/>Wer nicht liebt Wein, Weiber und
Gesang<anchor type="target" xml:id="stop_bpc_ljw_xnb"/>,<lb/>Der
bleibt ein Narr sein Leben lang.</orig><note xml:id="nqwc_vp4_nnb">Der Luther zugeschriebene Vers ist nicht in seinen überlieferten
Schriften enthalten. Zur wechselnden Zuschreibung des Aussspruchs
(u. a. auch zu Johann Heinrich Voß) vgl. Christoph Gutknecht: Lauter
spitze Zungen. Geflügelte Worte und ihre Geschichte, München, 3
aufl. 2001, S. 97-99.</note></seg></hi>
</p>
<p>
<hi rendition="#right"><persName key="JP-002555"><hi rendition="#aq">D.</hi>
Martin Luther</persName>.<anchor type="target" xml:id="stop_szb_sfp_nnb"/></hi>
</p>
<p>Denn ich habe über dem Dichten gefunden, daß so Etwas gar nicht jetzt erst
gedichtet werden muß, sondern einzig, als schon vorhanden, zu wählen ist aus dem
Vorrathe jener abgeblühten Zeit, deren Mitgenoß der brave <persName key="JP-002555">Luther</persName> selber war. Und wie schön ist nicht der
Gedanke – und wie passend sind nicht gerade die <del rendition="#s"><gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/></del> berühmten Worte für
diese Stelle! —<space unit="section"/><hi rendition="#aq">Dixi</hi>! –</p>
<closer>
<salute>Leben <hi rendition="#aq">Sie</hi> wohl, edler, reiner Mensch!
Ewig</salute>
<signed>
<hi rendition="#c">Ihr</hi>
<hi rendition="#right">treuer und dankbarer<lb/>JE<hi rendition="#aq">Wagner</hi></hi>
</signed>
</closer>
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